Küpser Musiker passen auf

Aktionstag zur Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes

Küps. Leiter der Musikschule Holger Pohl, Gleichstellungsbeauftragte im Kreisjugendring Lisa Gratzke und Realschullehrerin Claudia Weidmann gestalteten zu dem schwierigen Thema des sexuellen Missbrauchs einen Aktionstag für die Küpser Orchester und den Förderverein.

Bereits im März 2016 hatte Holger Pohl an der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Kreisverbandes Kronachs im Nordbayerischen Musikbund eindringlich auf alle Mitgliedsvereine eingewirkt, dieses Thema in ihren Vereinen zu kommunizieren und nach außen hin wirksam zu machen.

„Nur Instrumente werden hautnah erlebt“ – mit diesem Slogan wirbt die Nordbayerische Bläserjugend schon seit Jahren und bietet auf ihrer Seite eine Selbstverpflichtungserklärung an, die die Verantwortlichen des Vereins unterschreiben können.

Doch was verbindet man mit diesem Begriff Selbstverpflichtungserklärung und ist das überhaupt nötig? Anscheinend schon. Betrachtet man die traurige Statistik in Deutschland werden jährlich immer noch an die 15000 Missbrauchsfälle angezeigt, was bedeuten würde, dass täglich an die 40 Kinder und Jugendliche betroffen sind. Desweiteren ist auch bekannt, dass es sich in nur rund 10% aller Fälle um einen wirklich unbekannten Täter handelt. 90% aller Missbrauchsfälle werden von Tätern begangen, die aus dem Vertrauensverhältnis des Kindes stammen. Seien es Verwandte oder Bekannte, Ausbilder, Trainer etc.

20161113_144914Alle Verantwortliche zu stärken, die sich um das Wohl von Kindern und Jugendlichen kümmern und die Kinder besser zu schützen sind die zentralen Anliegen des Bundeskinderschutzgesetzes, dass 2012 in Kraft getreten ist. Hier war die Musikschule Küps schon lange tätig. Durch amtliche Führungszeugnisse musste jede Lehrkraft der Musikschule nachweisen, dass sein Führungszeugnis frei von Eintragungen ist. Mit dieser Neuregelung verhindert das Bundeskinderschutzgesetz, dass einschlägig vorbestrafte sich im Rahmen eines Vereins wieder Kindern nähern können.

 

Dieses Thema des Missbrauchs auch im Verein zu verbalisieren war nun die schwierigere Aufgabe am vergangenen Sonntag. In einem ersten Teil ging es zunächst darum, zu sensibilisieren durch welche Gestiken, Handlungen, aber auch Worte bereits Grenzverletzungen begangen werden. So kann das Küsschen auf die Wange genauso bereits für den Gegenüber eine Verletzung des persönlichen Rahmens darstellen, wie die Tatsache, dass es bei einem Konzert nur eine gemeinsame Umkleidekabine gibt. Wesentlich schwerwiegender sind aber alle Grenzverletzungen, die einen sexualisierten Hintergrund haben. Das Zeigen von Nacktbildern auf dem Handy sind dabei genauso verwerflich wie die eindeutige Einladung zu einem Date. Diese Übergriffe sind auch bereits anzeigbar und können strafrechtlich verfolgt werden. Nachdem jeder Teilnehmer sein Fallbeispiel vorgelesen und seine Meinung darüber geäußert hatte ging es darum, die insgesamt 25 Fälle von „eigentlich harmlos“ bis „geht gar nicht“ aufzulegen. Besonders interessant waren dabei die daraus entstandenen Diskussionen der Teilnehmer. Schnell wurde auch hier eine klare Linie zwischen einer Grenzverletzung und wirklich bereits eindeutig sexistischen Angelegenheiten gezogen. Auch zeigte sich, dass der Eindruck einer solchen Grenzverletzung davon abhängig ist, wie groß der Bekanntheitsgrad der jeweiligen Person ist.

In einem zweiten Teil zeigte Lisa Gratzke in einem Aktionsteil verschiedene Möglichkeiten auf, Grenzen zu setzen. Dabei wurden lautes Anschreien genauso geübt, wie sich groß machen. Auch andere Möglichkeiten durften ausprobiert werden. Ist es sinnvoll sich klein zu machen um sich dadurch schützen zu wollen? Wohl eher nicht, diese Körperhaltung lädt den Täter geradezu ein, weiterzumachen. Man merkte hier auch, dass es doch einigen noch schwer fällt, laut zu werden und sich aufzulehnen – eine gute Gelegenheit, dies bei verschiedenen Übungen zu vertiefen. Aufeinander zu achten war der Abschluss dieser zweiten Einheit. Dabei durften alle Musikerinnen und Musiker quer durch den Raum laufen.

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Beim Ruf „Wo ist Ina?“ musste jeder stehenbleiben und auf die betreffende Person zeigen. Dabei wurde geschult, einen Blick nicht nur für sich selbst, sondern für alle Personen zu haben. Praktisches Beispiel auch hier zum Beispiel der Vereinsausflug. Zwei Schülerinnen verschwinden schnell noch einmal, weil sie das WC suchen ohne sich abzumelden. Der Bus will abfahren. Ja, wo sind die zwei. Wer hat sie gesehen?

 

Im dritten Teil stellte Holger Pohl die Täterstrategien anhand der selbstverfassten Geschichte „vom kleinen Sven“ vor. Der Jungmusiker Sven kommt dabei in die Fänge von Bernd, der präzise planend alle Schutzmechanismen von Sven nach und nach außer Kraft setzt. Dabei sollten die Teilnehmer die einzelnen Schritte erkennen. Dabei wurde auch klar, dass die Täter immer versuchen, die Glaubwürdigkeit der Opfer herunterzusetzen, sie zu isolieren, das Schweigen zu erpressen oder durch Geschenke etc. zu bestechen. Man versucht sich bei den Verantwortlichen selbst gut dastehen zu lassen, um das Opfer weiter zu verunsichern. Die zentrale Frage im Anschluss lautete aber: Wo hätten andere Mitglieder des Vereins vielleicht eingreifen können, weil sie eben aufpassen und sich umeinander kümmern.

Das war das Stichpunkt für Claudia Weidmann. Sie hatte für den heutigen Tag den Auftrag bekommen, ein Symbol zu designen, das Signalcharakter hat. Sie erklärte ihren Entwurf, der auf einer 1,5m x 1 m großen Sperrholzplatte von ihr gemalt hatte. „Genau hinsehen“ – „Besonnen handeln“ war mit einem großen Auge darauf zu sehen. Gerade das genaue Hinsehen ist wichtig. Erkennen, wenn es jemandem offensichtlich nicht gut geht. Auch darauf achten, wo andere vielleicht eine Grenzverletzung begehen und sie auch darauf hinweisen. Besonnen Handeln: Das eigene Tun immer wieder kritisch reflektieren. Auch darauf aufpassen, was man vielleicht öfters mal zu leichtfertig von sich gibt. Dieses „sehende Auge“ stellte ein großartiges Ergebnis des Aktionstages dar. Jeder Teilnehmer durfte auf diesem Gemälde mit unterschreiben. Gleichzeitig bietet sie noch Platz die offiziellen Dokumente noch mit aufzunehmen.

Die drei Dozenten wurden für ihre geleistete und sensibel vorgetragene Arbeit mit einem herzlichen Applaus und Präsenten durch den ersten Vorsitzenden des Fördervereins für die Küpser Orchester, Michael Scheler bedankt. Die Küpser Musikbewegung hat mit diesem Aktionstag eine Vorreiterrolle gespielt und diesem Begriff einer Selbstverpflichtungserklärung Inhalt eingehaucht. Das Signal geht von hier aus nach draußen: In Küps wird aufgepasst!

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